OWL MK

Die 31-jährige Löhnerin sicherte sich mit ihrem sechsten Titel bei den deutschen Meisterschaften im Diskuswerfen das Ticket für die olympischen Spiele auf der letzten Rille. In Paris soll es trotzdem bis ins Finale gehen.

Nach einer Achterbahnfahrt der Gefühle auf der sportlichen Leistungskurve feierte die Löhnerin Kristin Pudenz doch noch ein emotionales Happy End in diesem Jahr. Mit der Saisonbestleistung von 65,93 Meter qualifizierte sich die seit 15 Jahren für den SC Potsdam startende Diskuswerfer in quasi auf der letzten Rille für die Olympischen Spiele in Paris. So ganz nebenbei war es der sechste Deutsche Meistertitel in Folge – und damit schreibt die 31-Jährige Sportgeschichte in der Leichtathletik.

Hinter ihrer Form und der Olympia-Teilnahme stand in den vergangenen Monaten allerdings ein dickes Fragezeichen, hatte sie die großen Weiten (ihre Bestleistung sind 67,87 Meter bei der EM in München aus dem Jahr 2022) nicht angeboten.
Die Olympia-Norm von 64,50 Meter hatte sie zwar geknackt, mit 64,63 Meter am 20. April beim Meeting der Wanda Diamond League im chinesischen Xiamen, doch bei den folgenden Veranstaltungen schleuderte Kristin Pudenz die ein Kilogramm wiegende Diskus-Scheibe meist nur über knapp 60 Meter. Zu wenig, und so fanden die Europameisterschaften in Rom ohne die EM-Zweite von München in 2022 und Silbermedaillen-Gewinnerin von Tokio in 2021 statt.
„Es lief in der Saison nicht wie erhofft. Woran das genau liegt, wissen mein Trainer und ich auch nicht so genau“, sagt die 31-Jährige. „Es gab technische Probleme beim Werfen, das Selbstvertrauen ging verloren, es war richtig der Wurm drin. Vor den Deutschen Meisterschaften habe ich in der Woche gut trainiert und gehofft, dass der Knoten in Braunschweig endlich platzt. Im Kopf schwirrten die Gedanken herum, wie cool es doch wäre, zum zweiten Mal bei Olympia zu starten.“ Aber das war dann kein Selbstläufer bei der DM, die Nerven flatterten. Mit den 61,40 Meter im ersten Versuch lag sie auf dem 2. Platz hinter der späteren Zweitplatzierten Marike Steinacker vom TSV Bayer 04 Leverkusen (64,49 Meter).
Nach zwei Fehlversuchen (der Diskus landete jeweils im Fangnetz) wurde das Nervenkostüm von Kristin Pudenz auch nicht besser. „Ich wurde schon unruhig“, sagt sie und erinnerte sich dann im DM-Wettkampf an die aufmunternden Worte von Mama und Papa sowie Bruder Fabian bei ihrem Heimatbesuch in Löhne und an die Tipps ihres früheren Trainers Karl-Heinz Held, der sie vor der DM in Potsdam besucht hatte. Es fruchtete. Sie haute im vierten Versuch mit 65,93 Meter einen raus, setzte sich an die Spitze und holte sich den DM-Titel. Der fünfte und sechste Wurf waren ungültig, aber ihre härteste Konkurrentin Marike Steinacker produzierte nach ihrem zweiten Versuch auch nur noch „Fahrkarten“, gleich vier in Folge. „Nach dem vierten Versuch war ich sehr erleichtert, da ist viel Last abgefallen. Im wichtigsten Wettkampf des Jahres habe ich noch die Kurve bekommen. Ohne diesen Wurf und den Meistertitel wäre ich nicht nach Paris gefahren“, sagt Kristin Pudenz.
Mit ihr dabei in der Stadt der Liebe sind Marike Steinacker und Claudine Vita (DM-Vierte) vom SC Neubrandenburg. Ersatzathletin ist die DM-Dritte Shanice Craft vom SV Halle. Und wie sieht es jetzt mit der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele aus? „Ich werde an meiner Technik feilen, um auf ein gutes Niveau zu kommen“, sagt die 1,91 Meter große Athletin. Ihre Trainingspartner beim SC Potsdam sind unter anderem Henrik Janssen und Clemens Prüfer, die sich mit dem Diskus bei den Männern auch für Olympia qualifiziert haben. Da sollten sich alle doch bestens pushen können.
„In Paris möchte ich neue Saisonbestleistung werfen und mich für das Finale der besten Acht qualifizieren. Am 2. August ist der Vorentscheid, um unter die zwölf Besten für den Finaltag am 5. August zu kommen. Im Finale der besten Acht dann wird es auf die Tagesform ankommen. Es ist alles möglich, sich hinter der auf hohem Niveau am konstantesten bei etwa 70 Meter werfenden Top-Goldfavoritin Valarie Allman eine Medaille zu holen. Das wäre ein Traum nach Silber in Tokio“, sagt Kristin Pudenz.
Und in der Stadt der Liebe möchte die Löhnerin das nachholen, was ihr und allen anderen in Tokio verwehrt blieb:
Die Stadt kennenlernen und ein volles Stadion genießen. Denn in Tokio im August 2021 waren wegen der Corona-Pandemie alle total abgeschottet, das Stadion leer und der kulturelle Austausch fand nur im Olympischen Dorf statt.