Kristin Pudenz begann einst beim TV Löhne-Bahnhof mit Kugelstoßen. Morgen reist die Deutsche Meisterin im Diskuswerfen zu den Olympischen Spielen nach Tokio.
Im Podcast mit dem Deutschen Leichtathletikverband nennt Kristin Pudenz die Teilnahme an den Olympischen Spielen noch als das nächste große Ziel.„Und irgendwann möchte ich auch in der Lage sein, um eine Medaille mitzuwerfen. Das wünscht sich doch wohl jeder Sportler“, sagt sie. Ihr erstes Ziel hat sie erreicht, das zweite Ziel behält sie im Auge:
Am morgigen Dienstag fliegt die in Gohfeld und Mennighüffen aufgewachsene Diskuswerferin mit dem 90-köpfigen Deutschen Leichtathletikteam nach Japan.
Der Trip zu den 32. Olympischen Sommerspielen nach Tokio wird ein rein sportlicher sein, ganz anders als viele Spiele zuvor.
Die Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie werden die Großveranstaltung auf den sportlichen Kern zusammenschmelzen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) gab dem Druck der japanischen Regierung nach, die den Corona-Notstand für Tokio verhängt hatte. „Das ist natürlich sehr schade. Ich weiß momentan gar nicht, wie es sich allein in einem so großen Stadion anfühlen wird“, sagt Kristin Pudenz. „Auf der anderen Seite bin ich froh, dass die Olympiaschen Spiele überhaupt stattfinden. “Wenn sie sich im Wettkampfring befinde, blende sie ohnehin alles aus. „Da bin ich so fokussiert, dass ich von den Zuschauern im Grunde nichts mitbekomme. Aber es gibt ja auch eine Zeit nach dem Wurf.
Der Applaus nach einem guten Wurf werde nicht da sein, die geteilte Freude werde eine andere sein. „Ein volles Stadion bietet eine ganz andere Atmosphäre“, sagt die 28-Jährige. Aber, gibt sie zu bedenken: „Es sind trotzdem immer noch Olympische Spiele.“ Auch das Leben im Olympischen Dorf wird sich fundamental von den Erfahrungsberichten der vergangenen Jahre unterscheiden. Nach der Ankunft in Tokio besteigt die Delegation den nächsten Flieger, der sie ins 1.000 Kilometer entfernte Vorbereitungscamp in der Präfektur Miyazaki bringt. Dort sollen sich die Athletinnen und Athleten an Klima und Zeit anpassen, bevor sie Quartier im Olympischen Dorf beziehen.
Die Eröffnungsfeier ist am am Samstag, 24. Juli. Ihren Qualifikationswettkampf bestreitet Kristin Pudenz eine Woche später am Samstag, 31. Juli um 9 Uhr Ortszeit. In Löhne-Mennighüffen ist es dann 2 Uhr nachts, denn die japanische Zeit ist der mitteleuropäischen (MEZ) sieben Stunden voraus. Dann werden sich auch die Eltern von Kristin Pudenz sowie ihr Bruder Fabian den Wecker stellen. „Mein Ziel ist es, das Finale zu erreichen“, sagt die dreifache Deutsche Meisterin. Dazu müsste sie es in der Qualifikation zunächst unter die Top-12 schaffen und am Finaltag noch unter die besten acht.Das scheint angesichts ihrer momentanen Form und Platzierung in der Weltrangliste (Platz acht) machbar. „Ich fühle mich sehr gut in Form“, sagt Pudenz zwischen Abschluss des Trainingslagers in Kienbaum und dem Abflug in Frankfurt am Main morgen.
Das Finale im Diskuswerfen der Frauen ist für Dienstag, 3. August, um 19 Uhr Ortszeit (12 Uhr MEZ) angesetzt. „Ich denke, um eine Medaille zu erreichen, braucht man mindestens eine Weite von 68 Metern. Davon bin ich momentan noch zu weit weg. Aber eine neue persönliche Bestleistung könnte ich mir vorstellen“, erklärt Kristin Pudenz ihre Erwartungen. Beim Werfertag in Halle hatte sie im Mai mit 66,31 Metern ihre derzeitige Bestleistung aufgestellt. Allerdings wehte in Halle an der Saale ein Wind, den es im Stadion von Tokio sicherlich nicht geben wird.
Nach ihrem Wettkampf hat sie 48 Stunden Zeit, das Land zu verlassen Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig holte sie dieses Jahr ihren dritten Deutschen Meistertitel in Folge, und zwar mit einer Weite von 64,07 Metern, gefolgt von Marike Steinacker (64,02 Meter) und Claudia Vita (61,43 Meter). Diese Reihenfolge bestimmt auch die Nominierung für die Olympischen Spiele.
Als Ersatz ist Shanice Kraft eingeplant. Zum Vergleich: Die amtierende Olympiasiegerin Sandra Perkovic (Kroatien) warf den ein Kilogramm schweren Diskus vor fünf Jahren auf 69,21 Meter. Die amtierende Weltmeisterin Yaie Perez aus Kuba holte sich den WM-Titel in Doha mit 69,17 Metern. Das sind Weiten, an denen sich Kristin Pudenz in der Zukunft orientieren wird, auch wenn es in Tokio dafür noch nicht reichen wird. Nach ihrem Wettkampf hat die Löhnerin übrigens 48 Stunden
Zeit, um das Land zu verlassen. „Das ist auch schade, weil ich mit gerne noch andere Sportarten angesehen hätte“, sagt sie. Partys im Olympischen Dorf wird es genauso wenig geben wie Besichtigungstouren durch Tokio.
Die erste Teilnahme an Olympischen Spielen ist der bisherige Höhepunkt in der Karriere der 28-Jährigen, die als Kugelstoßerin (wie Mutter Annette) beim TV Löhne-Bahnhof begann. Bruder Fabian und Vater Rüdiger waren ebenfalls Diskuswerfer. Rüdiger Pudenz war 1985 noch für die DDR antretend Vize-Europameister der Junioren. Ihr Trainer beim TV Löhne-Bahnhof war Karl-Heinz „Kalle“ Held. „Ich bin natürlich unendlich stolz. Es war aber bereits damals schon zu sehen, welch außergewöhnliche Fähigkeiten Kristin mitbringt“,lobt „Kalle“ Held. Auch die Familie ist glücklich. „Wir freuen uns riesig, sind total happy und drücken ihr die
Daumen“, sagt Vater Rüdiger. „Wenn sie es in den Endkampf schafft, dann mache ich ihr ein Bier auf.“ Seit gut zehn Jahren startet Kristin Pudenz nun schon für den SC Potsdam und lebt auch vor den Toren Berlins. Ihr Trainer ist seit vielen Jahren Jörg Schulte.
Kristin Pudenz studierte Soziale Arbeit an der Fachhochschule Potsdam und schloss ihr Studium im Jahr 2017 mit dem Bachelor ab. Nach drei Jahren in der Spitzensportförderung der Bundeswehr begann sie im Oktober 2020 ein Studium in der Sportfördergruppe der Landespolizei Brandenburg. Ihren sportlichen Durchbruch erlebte die 1,91 Meter große Athletin im Jahr 2019, als sie zum ersten Mal Deutsche Meisterin wurde. Vorausgegangen waren einige Änderungen, wie zum
Beispiel eine Ernährungsumstellung.„Ich saß bei der Heim EM 2018 auf der Tribüne und habe im Berliner Olympiastadion zugeschaut. Das war bei mir so ein Punkt, wo ich gemerkt habe, du musst dich entweder noch einmal zusammenreißen und etwas ändern oder du kannst es eigentlich auch sein lassen mit dem Leistungssport“, erklärt die TopAthletin. Kraft, Technik, Schnelligkeit zählen beim Diskuswerfen. „Ich weiß, dass ich nicht die schnellste bin. Aber mit etwas weniger Gewicht konnte ich die Lücke schließen. Ich arbeite seitdem auch mit einem Neuro-Athletiktrainer zusammen. Wir haben viel für die Fußsteuerung getan, um ein besseres Verständnis für die Technik zu bekommen“, sagt sie. Diese beiden Umstellungen seien sicherlich die Basis für ein erfolgreiches Jahr 2019 mit dem ersten Deutschen Meistertitel gewesen. Mittlerweile gehöre zum Trainerteam auch ein Mentalcoach.
Kristin Pudenz holte auch 2020 und 2021 den Titel der Deutschen Meisterin im Diskuswerfen. 2019 qualifizierte sie sich für die Weltmeisterschaften in Doha, wo sie im Finale schwächelte.„Das war reine Kopfsache. Ich stand irgendwie neben mir“, sagt Kristin Pudenz. Das soll ihr nach Möglichkeit in Tokio nicht noch einmal passieren.