kpDie 28-jährige Löhnerin haut im fünften Durchgang mit 66,86 Meter sogar noch eine neue persönliche Bestleistung heraus. Ein Horror-Regenschauer über dem Stadion

Was für ein berauschendes Jahr für Kristin Pudenz, die beim TV Löhne-Bahnhof sportlich groß geworden ist. Die Löhnerin schleppte sich immer mal mit Achillessehnen-Problemen herum, dann stellte sie im Mai beim Werfertag in Halle mit 66,31 Meter im Diskuswerfen eine neue persönliche Bestleistung auf und qualifizierte sich für die mit einem Jahr Verspätung stattfindenden Olympischen Spiele in Tokio.

Und dort lieferte die 28-Jährige den Wettkampf ihres Lebens ab und durfte sich nach sechs Würfen an der Silbermedaille berauschen. 66,86 Meter hatte sie die kleine und 1 Kilogramm leichte Scheibe im fünften Versuch geschleudert.

»Ich bin stolz auf meine Tochter« Es ist die erste Teilnahme von Kristin Pudenz bei Olympia – und dann dieser phänomenale Triumph. „Ich bin baff. Das ist ja der Wahnsinn. Die Silbermedaille und dann auch noch mit einer neuen Bestleistung in so einem großen Stadion. Rekorde wirft man sonst auf der Wiese. Ich bin stolz auf meine Tochter“, sprudelte es aus Vater Rüdiger Pudenz heraus. „Ich bin angenehm überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich hätte schon einen 6. Platz im Finale als Erfolg gewertet“, sagt der glückliche Vater, der selbst Diskuswerfer war und in den 80er Jahren im Kader der DDR stand und 1985 bei der Junioren-Europameisterschaft gestartet ist.
Sohn Fabian war unter anderem auch Diskuswerfer, aber nur annähernd so erfolgreich war kein Mitglied der Familie Pudenz. Kristin ist die Königin im Diskuswurf in der Familie. Sie krönte ein tolles Jahr mit der Silbermedaille und bescherte Deutschland damit die erste olympische Medaille in dieser Disziplin seit 25 Jahren! Damals bei der Olympiade in Atlanta (USA) holte Ilke Wyludda die Goldmedaille. Kehren wir aber in die Gegenwart zurück – und die ist für eine Löhnerin ein Rausch der Gefühle.
Kristin Pudenz begann den Wettkampf hoch konzentriert und holte sich mit 63,07 Meter die nötige Sicherheit – und übernahm die Führung. Dann konterte die Kubanerin Yaimé Pérez mit 65,72 Meter (am Ende 3. Platz), die US-Amerikanerin Valarie Allman setzte noch einen drauf und schockte die Konkurrenz mit 68,98 Meter. Das war letztlich auch die Goldmedaille. Kristin Pudenz legte mit dem zweiten Wurf auf 65,34 Meter nach und kam nah an die Kubanerin dran.
Aktuell war die Löh nerin Dritte – und dann brach ein Horror-Regenschauer über das Olympiastadion herein. Als die eine und andere Diskuswerferin bei ihren Rotationsbewegungen im nassen Ring auf dem Allerwertesten landete, wurde der Wettbewerb vom Wettkampfgericht folgerichtig unterbrochen. Die Athletinnen packten ihre Sachen und schlichen in den Callroom, wo alle auf eine Wetteränderung warteten. Und die Schleusen am dunklen Himmel über dem Olympiastadion schlossen sich wieder, fleißige Helfer wischten den nassen Ring trocken, dessen Untergrund mit dem Wasser glitschig wie Schmierseife war. Alle Diskuswerferinnen mussten erst wieder neu hochfahren, durften jeweils einen Probewurf raushauen – und einen mit Nachhall haute dann Kristin Pudenz im fünften Versuch mit der neuen persönlichen Bestleistung von 66,86 Meter raus! Damit katapultierte sie sich auf den 2. Platz und fasste sich schon fast ungläubig mit beiden Händen an den Kopf. Ist das wirklich wahr, was geht denn hier ab?
Im sechsten Durchgang tigerte die 28-Jährige wie ein unruhiger Tiger im Käfig hin und her und beobachtete mit bangen Blicken die zwei, drei hinter ihr rangierenden Konkurrentinnen, die sie noch von einem Medaillenplatz hätten verdrängen können. Doch es schaffte keine mehr – und dann rollten einige Tränchen der Freude über die Wangen von Kristin Pudenz. Mit der Deutschland-Fahne um die Schultern jubelte sie ausgelassen nach dem Wettkampf ihres Lebens und freute sich über den Silber-Coup wie Bolle. Chapeau!
Einer ihrer einstigen großen Förderer beim TV Löhne-Bahnhof, Trainer Karl-Heinz „Kalle“ Held, ist begeistert vom Erfolg seines ehemaligen Schützlings: „Das ist ja Wahnsinn, Spitzenklasse. Was für tolle Bilder im Stadion. Mir ist aufgefallen, dass Kristin im Wettkampf total fokussiert war und sich mental sehr gut auf jeden Wurf eingestellt hat. Vorbildlich. Das war Adrenalin pur. Das hat sie super gemacht. Einfach nur klasse!“

Die sechs Durchgänge von KristinPudenz:
63,07m, 65,34m, ungültig, 64,35 m, 66,86 m, ungültig

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